Die Behauptung

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger warnt davor, dass eine flächendeckende Einführung der Vier-Tage-Woche Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit schwächt und Unternehmen ins Ausland abwandern könnten.

Unser Fazit

Studien zeigen, dass die Auswirkungen der Vier-Tage-Woche auf die Wirtschaft nicht eindeutig sind. Es gibt positive Effekte auf Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität in einzelnen Fällen, aber gesamtwirtschaftliche Schlüsse für Deutschland sind schwer zu ziehen. Experten sind sich uneinig über die langfristigen Folgen, und ob Firmen tatsächlich abwandern, ist derzeit unklar.


Weniger arbeiten bei gleichem Geld – das verspricht die Vier-Tage-Woche. Für einige klingt das verlockend – andere befürchten, darunter leide die deutsche Wirtschaft. In der BR-Sendung „jetzt red i“ warnte etwa der bayerische Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger davor.

Gerüchte/Behauptungen

Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) prognostizierte in der BR-Sendung „jetzt red i“, eine flächendeckende Umstellung auf eine Vier-Tage-Woche schwäche Deutschland wirtschaftlich und führe dazu, dass viele Firmen ins Ausland abwandern. Er bezog sich auf das Modell einer 32-Stunden-Woche bei vollem Gehalt, was seiner Meinung nach die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands beeinträchtigen und Wohlstandsverluste nach sich ziehen könnte.

Um diese Sendung geht es:

Streit um Vier-Tage-Woche: Aiwanger sieht Wohlstand in Gefahr | BR24

Bewertung

Die Aussage Aiwangers basiert auf der Annahme, dass eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn zwangsläufig zu geringerer Produktivität und höheren Produktionskosten führt. Dies könnte in der Tat die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen beeinträchtigen. Erste Studien und internationale Erfahrungen zeigen jedoch auch positive Effekte auf Mitarbeiterzufriedenheit und Produktivität. Daher ist es wichtig, die komplexen Zusammenhänge genauer zu untersuchen, bevor endgültige Schlussfolgerungen gezogen werden.

Die Fakten

Was bedeutet „Vier-Tage-Woche“ und was hat Aiwanger genau gesagt?
Unter dem Begriff Vier-Tage-Woche können verschiedene Arbeitszeitmodelle verstanden werden:

  • Eine Verteilung der vollen Arbeitszeit auf vier statt fünf Tage.
  • Eine Verkürzung der Arbeitszeit auf vier Tage mit entsprechender Lohnkürzung.
  • Eine Verkürzung der Arbeitszeit auf vier Tage bei vollem Lohn.

Aiwanger verwies gegenüber „jetzt red i“ auf die dritte Möglichkeit: „Wenn wir in die Richtung gehen wollen, viermal acht Stunden statt fünfmal acht Stunden, und für diese 32 Stunden dann den gleichen Lohn wollen wie vorher für 40 Stunden, dann können sich das vielleicht einige Branchen leisten“, so Aiwanger. „Aber insgesamt wird Deutschland dadurch an Wettbewerbsfähigkeit verlieren und viele Unternehmen werden eben ins Ausland abwandern. Wir werden Wohlstand verlieren.“

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Wo gibt es die Vier-Tage-Woche schon?
Einige Länder und Unternehmen experimentieren bereits mit der Vier-Tage-Woche:

  • Island: führte 2021 die 35-Stunden-Woche bei gleichem Lohn ein, was das Wohlbefinden und die Gesundheit der Arbeitnehmer verbesserte.
  • Belgien: Erlaubt ab 2022 eine Vier-Tage-Woche mit einer Umverteilung der 38-Stunden-Woche. Dies wurde jedoch wegen möglicher Überlastung der Arbeitnehmer kritisiert.
  • Microsoft Japan: Berichtet von positiven Effekten auf Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit nach Einführung der Vier-Tage-Woche.

In Deutschland läuft seit Februar 2024 eine Studie mit 45 Unternehmen, die die Vier-Tage-Woche testen. Erste Ergebnisse werden für Oktober 2024 erwartet.

Studien nur schwer auf deutschen Markt übertragbar

Die bisherigen Studien zur Vier-Tage-Woche sind nicht repräsentativ für die deutsche Wirtschaft. So machten beispielsweise Marketing- und IT-Unternehmen einen großen Teil der teilnehmenden Unternehmen aus, was nicht den gesamten Markt widerspiegelt. Zudem fehlen Vergleichsgruppen, um die tatsächlichen Auswirkungen auf Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit zu messen.

Wie werden Wettbewerbsfähigkeit und Wohlstand gemessen?

  • Wettbewerbsfähigkeit: Gibt an, wie gut sich ein Unternehmen oder ein Land auf dem Markt behaupten kann, wobei Produktionskosten und Preise eine wichtige Rolle spielen.
  • Wohlstand: Wird häufig am Bruttoinlandsprodukt (BIP) gemessen, kann aber auch Gesundheit, Lebenserwartung und Bildung umfassen.

Was bedeutet Arbeitszeitverkürzung für die Wettbewerbsfähigkeit?
Kürzere Arbeitszeiten können zu höheren Produktionskosten führen, was sich negativ auf die Wettbewerbsfähigkeit auswirken kann. Dies hängt jedoch stark von der Branche und dem Wettbewerbsumfeld ab. Einige Unternehmen könnten durch effizientere Arbeitsabläufe und geringere Krankenstände ihre Produktivität stabil halten oder sogar steigern.

Was bedeuten kürzere Arbeitszeiten für den Wohlstand?
Die Wohlstandseffekte sind umstritten. Weniger Arbeitsstunden könnten zwar theoretisch zu einer geringeren Wertschöpfung führen, gleichzeitig aber auch die Gesundheit und Zufriedenheit der Beschäftigten verbessern, was sich langfristig auch ökonomisch positiv auswirken könnte.

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Knackpunkt Produktivität: Können wir bei gleicher Leistung weniger arbeiten?
Experten schätzen, dass die Produktivität um 25 Prozent steigen müsste, um den Verlust eines Arbeitstages auszugleichen. Erste Studien zeigen jedoch, dass realistische Produktivitätssteigerungen derzeit nur bei ein bis zwei Prozent liegen. Dennoch könnten sich effizientere Arbeitsabläufe und eine bessere Work-Life-Balance langfristig positiv auswirken.

Das Problem mit den Branchen
Die Umsetzbarkeit der Vier-Tage-Woche variiert stark zwischen den Branchen. Kreative Dienstleistungen könnten sich leichter anpassen, während Präsenzberufe wie Pflege und Transport Schwierigkeiten hätten, die Arbeitszeitverkürzung ohne Personalaufstockung umzusetzen.

Vier-Tage-Woche und Fachkräftemangel
Die Vier-Tage-Woche könnte in bestimmten Branchen dazu beitragen, Arbeitskräfte zu halten oder durch bessere Arbeitsbedingungen neue Arbeitskräfte zu gewinnen. Allerdings ist die Gesamtzahl der verfügbaren Arbeitskräfte begrenzt, so dass eine Umverteilung der Arbeitszeit Engpässe nur begrenzt beheben kann.

Verlieren wir also Unternehmen?
Ob Unternehmen tatsächlich ins Ausland abwandern, ist derzeit unklar. Einzelne Erfolge von Unternehmen, die bereits auf die Vier-Tage-Woche umgestellt haben, sprechen dagegen. Dennoch ist es wichtig, mögliche Risiken weiter zu beobachten und gründlich zu analysieren.

Fazit

Es gibt bereits einzelne Unternehmen, die auf die Vier-Tage-Woche umgestellt haben, auch im Rahmen von Studien. Ihre Erfahrungen lassen aber keine Rückschlüsse auf die gesamte deutsche Wirtschaft zu. Zudem spielt die Branche eine große Rolle: In einigen Berufen lässt sich eine Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn gut umsetzen, da die Prozesse angepasst werden können und die Produktivität gleich bleibt. In anderen Branchen ist das nicht der Fall. Insgesamt sind sich die Ökonomen einig, dass bei einer Arbeitszeitverkürzung die Gefahr besteht, dass die Produktivität sinkt und damit die Produktionskosten in Deutschland steigen. Eine Abwanderung von Unternehmen in größerem Umfang ist nach Ansicht der Experten noch nicht absehbar.

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Quelle: BR24

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