Auf Facebook werden Nutzer durch scheinbar harmlose Nostalgie- und Rezeptseiten gezielt manipuliert

Diese Seiten und Gruppen nutzen emotionale Inhalte wie alte Rezepte oder idyllische alte Bilder, um Vertrauen und Reichweite zu gewinnen. Doch hinter der Fassade lauern politische Botschaften und kommerzielle Links, die die Meinungen der Nutzer beeinflussen sollen.

Diese Taktik schürt Ängste und Vorurteile, fördert gesellschaftliche Polarisierung und nutzt die Gutgläubigkeit der Nutzer aus. Die Folgen sind weitreichend: Misstrauen wächst, reaktionäre Ansichten werden gestärkt und der offene Dialog wird erschwert. Es ist entscheidend, dass Nutzer kritisch hinterfragen, welchen Inhalten sie vertrauen, um sich vor dieser perfiden Manipulation zu schützen und eine informierte Gesellschaft zu fördern.

Die unsichtbare Manipulationsmaschinerie hinter harmloser Nostalgie und Rezepten

Facebook-Gruppen und -Seiten, die sich auf nostalgische Themen wie „Rezepte wie bei Oma“ oder „Nostalgie: Früher war alles besser“ konzentrieren, vermehren sich derzeit wie Pilze nach einem Regen. Wir haben HIER schon einmal darüber berichtet. Doch was auf den ersten Blick harmlos und freundlich erscheint, verbirgt in Wirklichkeit eine gut durchdachte Maschinerie der Manipulation. Diese Seiten und Gruppen scheinen gezielt gesteuert zu sein, um bestimmte narrative Muster voranzutreiben.

Die verführerische Masche der Nostalgie

Ein Blick auf diese Seiten und Gruppen offenbart eine Flut von Beiträgen, die angeblich die „gute alte Zeit“ glorifizieren. Beliebte Themen sind etwa die D-Mark, idyllische Innenstädte aus vergangenen Jahrzehnten oder das scheinbar bessere Frauenbild ohne Tattoos und Piercings.

Screenshot Facebook / Die verführerische Masche der Nostalgie
Screenshot Facebook / Die verführerische Masche der Nostalgie

Ein klassisches Beispiel sind Beiträge wie „So sah es 1959 bei uns unterm Weihnachtsbaum aus… Man, was waren wir glücklich“, begleitet von einem Schwarz-Weiß-Foto eines Weihnachtsbaums. Solche Beiträge werden in verschiedenen Gruppen wie „Alltagstipps“, „Unvergessliche Zeiten“, „Rezept-Magie“ und „Das war echt ne geile Zeit“ nahezu identisch gepostet. Der gleiche Text, das vom Style her idente Bild – es scheint, als ob all diese Seiten und Gruppen zusammengehören.

Screenshot: Facebook mit  „So sah es 1959 bei uns unterm Weihnachtsbaum aus... Man, was waren wir glücklich“ 
Die dunkle Seite der Nostalgie
Screenshot: Facebook mit „So sah es 1959 bei uns unterm Weihnachtsbaum aus… Man, was waren wir glücklich“

Politische Botschaften unter der Nostalgie-Oberfläche

Hinter den nostalgischen Inhalten verbergen sich oft subtile politische Botschaften. Die ständige Betonung der vermeintlich besseren Vergangenheit dient als kritische Anspielung auf die heutige Gesellschaft. Diese Botschaften schüren gezielt Ängste und Vorurteile, insbesondere gegenüber Einwanderung und gesellschaftlicher Liberalisierung. Die vermeintliche Harmlosigkeit dieser Gruppen täuscht über ihre eigentliche Funktion hinweg: die Manipulation und Beeinflussung politischer Meinungen.

Ein weiteres, besonders bezeichnendes Beispiel für diese Manipulation ist ein Foto der deutschen Fußballmannschaft aus den 1990er Jahren, das in diesen Gruppen kursiert. Unter dem Bild finden sich Kommentare wie „Das waren noch Zeiten und eine richtige deutsche Mannschaft!“. Diese Aussage zielt darauf ab, die heutige Nationalmannschaft abzuwerten und subtil zu suggerieren, dass die gegenwärtigen Spieler keine „echten“ Männer mehr sind. Solche Bemerkungen spielen auf eine angeblich verlorene Männlichkeit und Identität an, was gezielt nostalgische Gefühle und gleichzeitig Ressentiments gegen aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen schürt.

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Screenshot: Facebook mit  „Das waren noch Zeiten und eine richtige deutsche Mannschaft!“
Die dunkle Seite der Nostalgie
Screenshot: Facebook mit „Das waren noch Zeiten und eine richtige deutsche Mannschaft!“

Ein weiteres Beispiel für diese perfide Manipulation ist ein Bild der Seite „Tipps und Tricks meiner Großmutter“ von einem Freibad im Sommer mit dem Text „Ach war das in Freibädern schön damals in Deutschland“. Darunter häufen sich Kommentare wie „Ja, damals, heute denkt man, man macht Urlaub in der Türkei oder Arabien. Heute kann man kein Freibad mehr betreten. Alleine sind da Schlägereien vorprogrammiert“ oder „DAMALS konnte man sich UNBESCHWERT im Freibad tummeln, heute ist man froh, wenn nichts passiert…“. Diese Aussagen implizieren, dass die heutige Gesellschaft, besonders aufgrund von Migration, unsicherer und gefährlicher ist. Diese gezielte Nostalgie verknüpft mit Angst schürt Ressentiments und verzerrt die Realität, um eine reaktionäre Agenda zu fördern.

Screenshot: Facebook mit „Ach war das in Freibädern schön damals in Deutschland“

Die dunkle Seite der Nostalgie
Screenshot: Facebook mit „Ach war das in Freibädern schön damals in Deutschland“

Noch ein Beispiel für die manipulativen Taktiken dieser Seiten ist ein Bild eines 20-D-Mark-Scheins mit dem Text „Da war alles noch gut“. Darunter finden sich Kommentare wie „Ja, das ist wahr. Mit der D-Mark haben wir für 150 Mark zwei Einkaufswagen voll bekommen. Das war eine schöne Zeit“ oder „Die beste Währung, die wir je hatten“. Diese Beiträge glorifizieren die Vergangenheit und setzen die Einführung des Euro mit wirtschaftlichem Niedergang gleich. Sie nutzen Nostalgie, um Unzufriedenheit mit der aktuellen Wirtschaftslage zu schüren und eine romantisierte Sicht auf die Vergangenheit zu propagieren.

Nostalgie Screenshot: Facebook mit „Da war alles noch gut“
Screenshot: Facebook mit „Da war alles noch gut“

Ein weiteres manipulierendes Beispiel sind zwei untereinander gestellte Fotos, das obere aus 1983 und das untere angeblich aus 2024. Auf dem Schwarz-Weiß-Foto von 1983 sind durchtrainierte Männer auf Motorrädern zu sehen, mit Stirnband, Lederjacke und Bart, wie sie auf einer Straße fahren. Das untere Farbfoto aus 2024 zeigt Männer, von denen einer dünn und der andere etwas dicker ist, auf E-Scootern, mit Rollern und Fahrradhelmen. Darunter finden sich Kommentare wie „Männer? Ich sehe nur auf dem oberen Bild Männer“ oder „Ja, da waren Männer noch Männer“ und „Das sind ja Lachnummern! 2024 ist peinlich“. Diese Gegenüberstellung dient dazu, ein nostalgisches Ideal von Männlichkeit zu propagieren und gleichzeitig die heutige Generation abzuwerten.

Screenshot: Facebook mit "Männer 1983 - Männer 2024"
Screenshot: Facebook mit „Männer 1983 – Männer 2024“

Kommerzielle Interessen und fragwürdige Absichten

Nicht nur politische, sondern auch kommerzielle Interessen spielen eine große Rolle. Ein weiteres gängiges Muster dieser Seiten ist das geschickte Einfügen von emotionalen Beiträgen, Rezepten oder Nostalgiebildern, um die Reichweite und Klickzahlen hochzuhalten. Zwischen diesen harmlos wirkenden Inhalten verstecken sie immer wieder Statusbeiträge zu Themen, die „jeden betreffen“, wie zum Beispiel eine schmutzige Spüle.

Ein solcher Beitrag enthält oft einen Link, der angeblich die Lösung für das Problem bietet. Dieser Link führt letztlich zu Amazon, wo ein Reinigungsmittel verkauft wird. Was nur wenige wissen: Es handelt sich um Affiliate-Links. Das bedeutet, dass der Seitenbetreiber eine Provision erhält, wenn jemand das beworbene Produkt kauft. Diese Taktik nutzt die vermeintliche Alltäglichkeit und Dringlichkeit solcher Probleme, um finanzielle Gewinne zu erzielen, ohne dass die Nutzer sich dessen bewusst sind.

MIMIKAMA
Screenshot: Facebook

Ein weiteres Beispiel einer manipulativen Taktik auf vermeintlich „harmlosen Rezepte“-Seiten ist ein Schwarz-Weiß-Bild, das mit dem Text „Es war eine Zeit, in der Familien ein Haus, Kinder, Auto, ein gutes Leben haben konnten… nur ein Einkommen“ versehen ist. Diese Nostalgieverklärung suggeriert eine vermeintlich bessere Vergangenheit, in der traditionelle Geschlechterrollen und autoritäre Familienstrukturen vorherrschten.

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Kommentare darunter wie „Ein Einkommen reicht heute leider nicht mehr für ein gutes Leben“ oder „Nur noch Politiker“ und Ohh ja… das waren Zeiten, heute muss jeder zwei Jobs haben verstärken diese verklärte Sichtweise und ignorieren die problematischen Aspekte jener Zeit, wie die Unterdrückung von Frauen, die Gewalt an Kindern und die autoritäre Dominanz des Mannes. Diese Darstellung romantisiert eine Zeit, die für viele Menschen mit erheblichem Leid verbunden war, und fördert eine verzerrte Wahrnehmung der Vergangenheit.

Screenshot: Facebook mit "Es war eine Zeit, in der Familien ein Haus, Kinder, Auto, ein gutes Leben haben konnten… nur ein Einkommen“
Screenshot: Facebook mit „Es war eine Zeit, in der Familien ein Haus, Kinder, Auto, ein gutes Leben haben konnten… nur ein Einkommen“

Desinformation und emotionale Manipulation

Die Kombination aus harmlos wirkender Nostalgie und gezielten politischen sowie kommerziellen Botschaften führt zu einer gefährlichen Verbreitung von Desinformation. Beiträge über die vermeintliche Sicherheit in alten Innenstädten oder die Schönheit früherer Generationen verzerren das Bild der Vergangenheit und manipulieren die Emotionen der Nutzer. Diese emotionale Manipulation verstärkt die gesellschaftliche Polarisierung und fördert eine ablehnende Haltung gegenüber aktuellen Veränderungen.

Hauptstandort „Algeria“ und „Marokko“

Ein Ergebnis unserer Recherche zeigt deutlich, dass viele dieser Seiten und Gruppen unter „Personen, die diese Seite verwalten“ als Hauptstandort „Algeria“ oder „Marokko“ angegeben haben. Dies legt nahe, dass die Betreiber gezielt aus dem Ausland agieren, um deutsche Nutzer zu beeinflussen und zu manipulieren. Die offensichtliche Diskrepanz zwischen dem nostalgischen Inhalt und dem tatsächlichen Standort der Administratoren wirft ernsthafte Fragen über die wahren Absichten und Hintergründe dieser Seiten auf.

Screenshot: Facebook / Seitentransparenz
Screenshot: Facebook / Seitentransparenz

Tipps für Facebook-Nutzer: So erkennen Sie manipulative Nostalgie- und Rezeptseiten

  1. Hinterfragen Sie die Quellen: Schauen Sie sich genau an, wer hinter der Seite steckt. Wenn die Administratoren im Ausland sitzen, wie etwa in Algerien oder Marokko, sollten Sie besonders vorsichtig sein. Dies erkennen Sie, wenn Sie bei einer Seite auf Facebook auf Folgendes klicken / tippen:
    > Info > Seitentransparenz > Alle ansehen
  2. Achten Sie auf Wiederholungen: Wenn Sie identische Beiträge und Bilder in verschiedenen Gruppen sehen, kann das ein Hinweis darauf sein, dass diese Seiten miteinander vernetzt sind und gezielt gesteuert werden.
  3. Überprüfen Sie Kommentare: Lesen Sie die Kommentare unter den Beiträgen. Wenn viele Kommentare Ängste schüren oder politische Botschaften enthalten, sollten Sie skeptisch sein.
  4. Achten Sie auf Affiliate-Links: Seien Sie vorsichtig bei Links zu Produkten, besonders wenn diese als Lösungen für alltägliche Probleme präsentiert werden. Diese Links führen oft zu kommerziellen Seiten, und die Betreiber der Facebook-Seiten verdienen daran.
  5. Vermeiden Sie emotionale Reaktionen: Manipulative Seiten nutzen oft emotionale Inhalte, um Ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Versuchen Sie, Ihre Reaktionen zu kontrollieren und hinterfragen Sie den wahren Zweck der Beiträge.
  6. Nehmen Sie keine Informationen für bare Münze: Viele dieser Seiten verzerren die Realität oder stellen die Vergangenheit idealisiert dar. Überprüfen Sie die Fakten und vergleichen Sie sie mit anderen Quellen.
  7. Seien Sie wachsam bei politischen Inhalten: Wenn eine Nostalgie- oder Rezeptseite plötzlich politische Inhalte teilt, seien Sie besonders kritisch. Hinterfragen Sie die Absichten und suchen Sie nach versteckten Botschaften.
  8. Vermeiden Sie Seiten mit vielen Fake-Profilen: Schauen Sie sich die Profile der Nutzer an, die die Seiten liken und kommentieren. Viele Fake-Profile deuten darauf hin, dass die Seite nicht authentisch ist.
  9. Melden Sie verdächtige Inhalte: Wenn Sie auf eine Seite stoßen, die manipulativ wirkt, melden Sie diese an Facebook. Je mehr Nutzer dies tun, desto eher wird Facebook Maßnahmen ergreifen.
  10. Bleiben Sie informiert: Lesen Sie regelmäßig vertrauenswürdige Nachrichtenquellen und informieren Sie sich über aktuelle Manipulationstechniken im Internet. Wissen ist der beste Schutz gegen Täuschung.
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Fazit: Die wahre Gefahr der vermeintlich harmlosen Nostalgie

Die beliebten Nostalgie-Seiten auf Facebook sind weit mehr als harmlose Erinnerungsplattformen. Sie sind Werkzeuge der Manipulation, die politische Botschaften, kommerzielle Interessen und Desinformation in einem nostalgischen Mantel verpacken. Die Konsequenzen dieser perfiden Strategie sind tiefgreifend: Sie fördern Vorurteile, schüren Ängste und verstärken gesellschaftliche Spannungen. Es ist an der Zeit, diese Seiten kritisch zu hinterfragen und sich nicht von der vermeintlichen Harmlosigkeit täuschen zu lassen. Nur so können wir der Manipulation entgehen und eine informierte, reflektierte Gesellschaft fördern.

Mimikama-Hinweis: Es ist oft schwer, Nostalgie- und Rezeptseiten auf Facebook zu erkennen, die gezielt manipulieren. Viele dieser Seiten scheinen harmlos und freundlich, was die Täuschung noch perfider macht. Dennoch ist es wichtig zu betonen, dass nicht alle Nostalgie- oder Rezeptseiten auf Facebook eine solche fiese Agenda verfolgen. Es gibt auch zahlreiche authentische Seiten, die lediglich Erinnerungen teilen und Rezepte verbreiten, ohne politische oder kommerzielle Absichten. Nutzer sollten jedoch stets wachsam und kritisch bleiben, um sich vor möglichen Manipulationsversuchen zu schützen.

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Hinweise: 1) Dieser Inhalt gibt den Stand der Dinge wieder, der zum Zeitpunkt der Veröffentlichung aktuell war. Die Wiedergabe einzelner Bilder, Screenshots, Einbettungen oder Videosequenzen dient zur Auseinandersetzung der Sache mit dem Thema.
2) Einzelne Beiträge entstanden durch den Einsatz von maschineller Hilfe und wurde vor der Publikation gewissenhaft von der Mimikama-Redaktion kontrolliert. (Begründung)